Schmerz ist unsichtbar – Lipödem muss man nicht sehen, sondern fühlen
Am 19.03.2020 war ich das erste Mal so richtig im Fernsehen zu sehen. Ich bekam die Chance, in der TV Show „Die Dr. Wimmer Show“ für die Lipödem Aufklärung und vor allem auch zum Mutmachen zu Gast zu sein. Eine unbeschreibliche Ehre, denn bisher wurden meistens Schwerstfälle und vor allem stark leidende Frauen gezeigt. Ich selbst bin operiert, doch leider nicht beschwerdefrei und halte seit nun fast 10 Jahren den Lipödem Schmerz in Armen und Beinen aus.
Natürlich bin ich vom Leid und der Frustration nicht befreit, aber wie ihr mich hoffentlich schon gut genug kennt, laufe ich lieber auf der Sonnenseite des Lebens, da ich an diesem nun mal sehr hänge. Meine oberste Priorität ist glücklich zu sein und ich bringe all meine Energie auf, genau dahin immer wieder zurückzufinden, sollte es einmal nicht so rosig laufen.
Hier geht’s zur Folge: https://www.sat1.de/tv/die-dr-wimmer-show/video/14-lipoedem-wenn-fettzellen-ausser-kontrolle-geraten-ganze-folge
Böses Blut aus den eigenen Reihen
Nun lief diese Sendung und das mit vollem Erfolg. So viele wundervolle und rührende Zuschriften habe ich wahrscheinlich noch nie bekommen. Denn ich hatte nicht nur die Möglichkeit, von der Krankheit Lipödem zu erzählen, sondern zu vermitteln, dass man durchaus trotz dieser sein Lächeln nicht verlernen muss. Alle stimmten mir dabei zu, bis auf eine Negativ-Stimme, die mich in meinem zittrigen Zustand während der Ausstrahlung vor Wut hat kochen lassen.
Da ich den Privat Chat respektiere und nicht veröffentliche, fasse ich ihre Argumente einmal hier zusammen, um euch die Beweggründe der daraus geborenen Aktion #schmerzistunsichtbar zu verdeutlichen:

„Es hätte eine dicke Frau mit einem echten Lipödem eingeladen werden sollen.
Wenn ich deine Beine sehe, kann ich diese Krankheit als Außenstehender gar nicht ernst nehmen, das ginge nur bei dicken Betroffenen.
Nicht jede dicke Frau hat einfach nur Adipositas, sondern diese Krankheit.
Es wird wieder nur eine schlanke Frau präsentiert, mit schönen Beinen, und das ist nicht das Lipödem.
Wenn man über die Krankheit schon berichtet, dann solle man richtig schlimme Betroffene Lipödem Beine zeigen.“
Eine Leserin, die keine Schmerzen habe und trotzdem ein schlimmes Lipödem. Laut ihrer Meinung sei nicht jedes Lipödem schmerzhaft.

Ich bin dick UND ich habe Lipödem
Eine Nacht brauche ich, um über die Entscheidung zu brüten, diese eine Stimme aufzugreifen und ihr tatsächlich eine Bühne zu bieten. Letztendlich musste ich es tun, weil es eben nicht nur eine Stimme ist, sondern diese Meinung in noch deutlich zu vielen Köpfen verankert ist. Ein Instagram Live Stream musste her (den ich euch leider hier nicht mehr zeigen kann).
Kurz zusammengefasst: Lipödem und Adipositas sind zwei verschiedene Krankheiten und beide brauchen ihre eigene Therapie und müssen behandelt werden. Am besten geschieht dies begleitend durch einen Arzt und vor allem durch eine riesige Mütze voll Selbstmanagement. 70% der Lipödem Betroffenen sind adipös, man ist jedoch nicht zwingend übergewichtig, weil man Lipödem hat. Lipödem ist eine eigenständige Krankheit, die einige Fettzellen im Körper betrifft, jedoch noch einiges an gesundem Fett übrig lässt, welches man auch durch eine gezielte und kontrollierte Ernährungsumstellung bekämpfen kann. Eine Größe 36 kann genau so befallen sein und an Schmerzen leiden, wie eine 56 und es ist vermessen, dies nicht zu akzeptieren. Es nehmen sich Leute heraus, über den Krankheitszustand andere Betroffener aus dem gleichen Boot zu urteilen und arbeiten so genau gegen ihre eigenen Interessen:

„Akzeptanz, Toleranz und Ernst genommen zu werden.“
#schmerzistunsichtbar
Ich bin es leid. Ich sehe es nicht ein, in meiner Wahrnehmung, meinem Charakter und meinem Schmerzempfinden in Frage gestellt zu werden. Es gibt keinem das Recht, dies zu tun, nur weil ich im Internet präsent bin.
Aber das ist nicht meine Art, so scharf zu reagieren und Negativität und Ärger zu versprühen, sondern ich bin für das Positive zuständig. Für das Mut machen, Stärke verleihen und vor allem für die Unterhaltung.
Frauensache Botschafterin Kathi und ich haben uns zu diesem Thema rege und motiviert ausgetauscht und spontan kam uns die Idee, eine Aktion zu starten, die sich auf das wesentlichste Symptom des Lipödems zu besinnen: Schmerz.
Schmerz kann man nicht sehen und trotzdem ist er da, in dünn, dick, groß, klein, alt und jung. Migräne, Krebs, Rheuma, Fibromyalgie und so viele andere Krankheiten, für dessen Einschränkungen man sich ständig rechtfertigen muss. Es wird Zeit, gemeinsam zu sensibilisieren.
Lest hierzu auch gerne Kathis beiden Artikel zu dem Thema:
Meine Kampfansage – Wir geben Schmerz ein Gesicht
Du siehst mein Lächeln, meinen Körper und meine gute Laune. Was du nicht siehst, ist was ich dafür getan habe, wie viel ich dafür tue und welche Entscheidungen ich tagtäglich dafür Fälle.
#schmerzistunsichtbar ist eine Aktion für alle, die sich schon einmal für ihre Diagnose, chronische Krankheit oder Schwäche rechtfertigen mussten und ein Zeichen gegen diese Diskriminierung setzen möchten. 👊🏻💥
Ob bei Lipödem, Migräne, Rheuma, Krebs und vielen weiteren unsichtbaren Krankheiten – Krank ist krank. Ob dick, dünn, alt, jung, fortgeschritten oder Anfangsstadium. Wir sitzen alle in einem Boot und wollen alle das gleiche Ziel: ein gutes Leben. Wie wir dahin kommen, erarbeiten wir uns gemeinsam in der #lipödemcommunity jeden verdammten einzelnen Tag.
Leben ist Aufwand.
Glück ist eine Entscheidung.
Schmerz ist unsichtbar.
❗Jede/r Betroffene/r ist herzlich eingeladen, sich dieser Aktion anzuschließen und ein sehr deutliches Zeichen zu setzen. Verlinkt 👉🏻 mich und 👉🏻 @_akillya_ damit wir eure Posts teilen können!❗
Dieser Artikel ist in Kooperation mit medi entstanden.
Bilder: Michaela Kern
Wer bloggt hier: Caroline Sprott

Caroline Sprott ist nicht nur eine bekannte Lipödem-Betroffene, sondern auch Autorin, Vortragsrednerin, Kompressionsmodel, Podcast-Moderatorin und inspiriert seit vielen Jahren als motivierende Healthfluencerin in den sozialen Medien tausende von Flachstrick-Heldinnen. Statt sich von ihrer Erkrankung Lipödem entmutigen zu lassen, nutzt sie ihre jahrelange Erfahrung, um anderen auf verschiedensten Plattformen Mut zu machen und Bewusstsein für diese oft missverstandenen Krankheiten zu schaffen. Bekannt für ihr herzliches und ehrliches Engagement für Menschen mit Lip- und Lymphödemen, ist sie zu einer wichtigen Stimme in der Community geworden. Die „Power Sprotte“, wie sie sich selbst nennt, betreibt die umfangreichste patientengeführte Website für Menschen, die eine Kompressionsversorgung tragen, und einen Online-Shop für alles, was man für ein gutes Selbstmanagement braucht.
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